Chassis 08
Nun, für das Chassis 08 habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was man alles, gegenüber dem TT Kohlefaserchassis, verbessern kann. Dabei kam ich auf folgende Punkte:
- Es sollte verwindungssteifer sein (TT ist trotz Kohlefaser wie Gummi)
- Es sollte leichter sein
- Es sollte „unzerstörbar“ sein (Heck litt bei Wheely- Saltos / Sturzbügelaufnahme brach zweimal aus Chassis aus)
- Die Masse sollte zentralisiert werden und der Schwerpunkt etwas nach vorne wandern
Um all diese Punkte zu erreichen habe ich mich Stundenlang vor diverse Blätter Papier gesetzt und gezeichnet. Ich musste immer wieder Rückschläge hinnehmen und von vorne beginnen, weil irgendwas wieder nicht gepasst hat. Herausgekommen ist ein etwas speziell aussehendes Chassis, das jedoch die obenerwähnten Punkte alle restlos erreichen oder übertrumpfen sollte.
Nun sieht das Heck endlich mal wie "echt" aus, kein störendes Carbon- Rahmenheck mehr!
Chassis von links
und von rechts
Verwindungssteifigkeit
Um das Chassis verwindungssteifer zu machen, habe ich mir überlegt, dass die vielen möglichen Gelenkpunkte verschwinden müssen. Am Originalchassis ist der Heckdämpfer am Heckstück befestigt, welches wiederum mit den Hauptplatten über Stützen verbunden wird. Zudem wird das Crash- Back- System an zwei Platten in der Mitte des Chassis ebenfalls mit zwei Stützen verbunden. Meine Aufgabe war es nun, ein Chassis zu entwickeln, welches von zuvorderst bis zuhinterst alle Teile an einer durchgehenden Platte befestigt werden. Zudem bestand das Problem, dass die Originalchassisplatten relativ weit voneinander entfernt waren, was lange, sprich bewegliche, Stützen zur Folge hatte. Beim neuen Chassis ist nun alles sehr eng aufeinander gebaut, mit sehr vielen kurzen Stützen abgestützt, was das Chassis sehr steif macht. Einzig die beiden kleinen Platten, an welchen der Motor und die Hauptwelle montiert werden, sind relativ weit von den Hauptplatten entfernt montiert. Damit diese auch „bockfest“ sitzen, habe ich diese nicht mit Stützen, sondern mit Aluplatten mit den Hauptplatten verbunden. So ist das ganze Chassis extrem steif geworden und lässt sich keinen Millimeter mehr verdrehen oder verbiegen. Schliesslich will ich ein genaues Feedback von Fahrwerksveränderungen. Dies ist nicht möglich, wenn sich das ganze Chassis immer mit verwindet. Ich will mein Fahrwerk über die Dämpfereinstellungen verädern und ganz genau fühlen, was ich verändert habe. Ich komme aus dem RC- Auto Rennsektor und auch da galt, wie steifer das Chassis, desto genauer lässt sich das Fahrwerk einstellen. Es wird wohl etwas schwieriger sein, dieses Chassis genau abzustimmen, dafür, wenn das Setup mal stimmt, wird das Moped liegen wie ein Brett.
Gewicht / Massenzentralisierung
Beim Gewicht ging es mir nicht nur darum, das Gesamtgewicht zu reduzieren, sondern auch darum, den Schwerpunkt des Motorrades etwas weiter nach vorne wandern zu lassen und den grössten Teil der „schweren“ RC- Komponenten möglichst nahe am Schwerpunkt zu platzieren. Dies nennt sich Massenzentralisierung und bringt den Vorteil, dass das Motorrad wendiger wird, da beim Umlegen in die Kurve die Massenträgheit, der nahe am Schwerpunkt liegenden RC- Komponenten, etwas kleiner wird. Was dies in der Praxis genau bringen wird, wird ein Fahrtest ergeben.
Ich habe das alte Chassis ohne Karosserie, Akku, und Sturzbügel, aber mitsamt der restlichen RC- Komponenten auf die Waage gelegt (vorne Alufelge, hinten Gussfelge). Die Waage zeigte ein Gesamtgewicht von 1380 Gramm an. Das Gewicht war wie folgt verteilt:
Vorne: 680 Gramm
Hinten: 700 Gramm
Nun, diese Gewichtsverteilung passte mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz. Ich hätte gewollt, dass auf dem Vorderrad ca. 40 Gramm mehr sind, als auf dem Hinterrad. Ich möchte nämlich nicht bei jeder „kleinen“ Beschleunigung das Vorderrad gegen den Himmel strecken, sprich, auf dem Hinterrad daherkommen. Ich möchte, trotz der Übermotorisierung, aus den Ecken heraus einigermassen aufs Gas drücken können. Mit dem alten Chassis war es so, dass trotz harter Hinterradabstimmung und relativ hohem Heck, das Bike einen Backflip beschrieb, wenn man mit ca. 30km/h aus dem Eck kam und dann brüsk Vollgas gab. Mit der neuen Massenverteilung erhoffe ich mir, eine etwas kleinere Wheely- Neigung.
Das neue Chassis hat ein Gewicht (dieselben Voraussetzungen wie bei der ersten Wägung) von : 1372 Gramm
Gewicht vorne : 690 Gramm
Gewicht hinten : 682 Gramm
Zugegeben, die Gewichtseinsparung ist minimal. Die Gewichtsreduktion hat unter meinem Unzerstörbarkeitswahn gelitten, da wären gut und gerne noch einmal 20 Gramm dringewesen. Die Unzerstörbarkeit ist mir jedoch bedeutend wichtiger, als die paar Gramm einzusparen, schliesslich müsste ich jedes kaputte Chassisteil wieder von Hand anfertigen. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich bis Ende Winter noch das eine oder andere Gramm abspecken kann, ohne dass dabei die Stabilität leiden wird.
Einige Worte zum speziellen „Heck“
Nun, das Wort „Heck“ ist wohl an dieser Stelle etwas übertrieben. Hierbei handelt es sich nur noch um einen Stummel. Bei der Konstruktion des „Hecks“ habe ich mir auch die Frage gestellt, wozu es denn überhaupt ein Rahmenheck braucht? Also ich konnte die Frage bis heute nicht beantworten. Das Ding wiegt nur unnötig, geht kaputt und lässt das Heck mächtig aussehen. Ohne Rahmenheck sieht das Bike nun, wie „echt“, sehr schlank aus.
Das Stummelheck ist also Absicht. In meiner RC- Bike Karriere gingen immer nur zwei Teile kaputt. Zum Einen die Chassisteile, an welchen die Sturzbügel montiert werden, zum Andern eben das Heck. Immer, wenn das Bike, aus welchen Gründen auch immer, Überschläge fabrizierte, litt das Heck am meisten. Während der Flugphase war es immer so, dass das Heck früher oder später unsanft mit dem Boden in Berührung kam. So hatte ich als Resultat diverse verbogen Aluhecks und ein gebrochenes Karbonheck. Nach meinem Wissensstand ist in keinem Reglement die Länge des Chassis vorgeschrieben, lediglich die Gesamtlänge des Bikes. Mit der Kürzung des Hecks habe ich drei Sachen erreicht. Zum Ersten lässt sich nun die Rändelmutter des Heckdämpfers verstellen, ohne dass irgend etwas demontiert werden müsste, ist also von aussen perfekt erreichbar. Zum Zweiten wandert so der Schwerpunkt etwas nach vorne. Der dritte und wichtigste Punkt betrifft die Stabililtät. Durch den kürzeren Hebel bricht das Heck weniger schnell. Zudem habe ich das Carbon beidseitig doppelt genommen, d.h., insgesamt befinden sich dort 8mm Carbon, um dies zu brechen, brauchts jetzt eine unglaubliche Gewalt, die wohl nie auftreten wird. Zudem montiere ich noch beidseitig je eine 1,7mm Carbonscheibe, welche über das Heck rausragt. Diese Scheibe wird nur verschraubt und dient, im Falle eines Horrorcrashs, als Sollbruchstelle. Da diese Scheiben wesentlich dünner sind als die 4mm Chassis pro Seiten, werden diese Scheiben als erstes brechen und so die kinetische Energie abbauen.
Die Befestigung der oberen Schale wird nun nicht mehr am hintersten Punkt des Hecks sein, sondern auf der Höhe des Sattels. Zu diesem Zweck wird ein Loch durch den Sattel gebohrt. Der Hintern des Fahrers bekommt nun halt auch ein kleines Loch, was ja auch der Wirklichkeit entspricht, hehe!
Unzerstörbarkeit des Chassis
Wie bereits mehrfach erwähnt, gibt es beim Carbonchassis von TT zwei Schwachstellen, zum Einen das Heck, zum Anderen die Sturzbügelaufnahmen. Wenn ich von unzerstörbar spreche, meine ich damit, dass Abflüge mit 80km/h, ohne direkten Einschlag in eine unverformbare Bande, keine Probleme darstellen dürfen. Ich denke, dass ich dies mit der speziellen Heckkonstruktion und den Sturzbügelverbindungen von der einen- auf die andere Seite erreicht habe. Das ganze Chassis fühlt sich so was von hart und stabil an, das habe ich in meiner 18 jährigen RC- Karriere noch nicht gesehen. Hoffe, dass meine Erwartungen erfüllt werden.
Verwendete RC- Komponenten
Motor : Brushless, Mamba Max 7700Kv
Akku : LRP 5000ma/h, 25C
Lenkservo : Futaba Digital Servo S3150
Bremsservo : Hitec HS-65MG
Fernsteuerung : Hitec Lynx 3D mit Spektrum Modul
Felge hinten : Delrin
Felge vorne : Aluminium (es gibt Leute, die montieren vorne ne Delrinfelge, um dann wieder 40 Gramm Blei in die Felge reinzukleben.................?!?!?!)
Fahrfertiges Gewicht mit Fahrerfigur und Sturzbügeln: 1744 Gramm
Mir ist bewusst, dass dieses Chassis etwas komisch aussehen mag, ich habe aber so meine theoretischen Ziele erreicht, wie sich dies in der Praxis auswirkt, zeigt der Fahrtest.
Fahrtest
Nun, der erste ernsthafte Fahrtest fand am 18. November statt. Die Bedingungen waren nicht optimal, da der Boden nahezu gefroren war. Grip haben ist defintiv etwas anderes. Die PMT 100 drehten noch bei relativ hohen Geschwindigkeiten ziemlich heftig durch. Die Sachen, die sich unter diesen Bedingungen testen liessen, fielen jedoch alle sehr positiv aus. Das Bike reagiert sehr direkt. Trotzdem lässt es sich Grad um Grad in die Kurve legen, so dass man es auch riskieren könnte, ohne Sturzbügel zu fahren. Auch heftige Abflüge wurden natürlich (unfreiwillig) getestet, natürlich ohne den kleinsten Kratzer am Chassis zu haben (alles andere wäre eine herbe Enttäuschung gewesen). Auch wenn das Bike bei etwas zu heftigen Beschleunigungsmanövern ins Schlingern kommt, stabilisiert es sich selber wieder. Die Wheely – Neigung konnte nicht überprüft werden, da der Boden zu kalt war um genügend Grip zu haben. Der direkte Vergleich zum Bike meines Kumpels war sehr positiv (er fährt eine Carbon TT), mein Bike schien unter ähnlichen Bedingungen mehr mechanischen Grip aufzubauen und reagierte präziser.
Um einen aufschlussreicheren Testbericht abzugeben, müssen wärmere Temperaturen abgewartet werden. Für den ersten Fahrtest bin ich jedoch mehr als zufrieden.
Fazit
Es hat sich bereits jetzt ausbezahlt, mehr als 40 Stunden in den Bau eines Chassis zu investieren. Es braucht keine Megawerkstatt um ein solches Chassis zu konstruieren. Ich habe keinen Zugang zu einer CNC- Fräse, das ganze Chassis ist handgefertigt. Ich habe lediglich folgende Werkzeuge zur Auswahl: 2 Dremel, 1 Ständerbohrmaschine, diverse Feilen und andere Schleifgeräte, eine Schiebelehre, diverse kleine Werkzeuge und natürlich alles, was es zum Zeichnen eines Chassis braucht. Das Ganze braucht Zeit und Geduld, man darf sich von Rückschlägen nicht demotivieren lassen, die sind mit einzuplanen. Ich möchte auf diesem Weg andere Biker motivieren, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Geht nicht, gibt’s nicht! Jeder kann so sein individuelles Traumchassis verwirklichen. Präzision ist einfach sehr wichtig; ich habe mir für sämtliche Bauteile eine Toleranz von 0,1mm zugestanden, ansonsten klappts nicht.
Ich behaupte, dass dieses Bike schon um Welten besser ist, als das Original (Carbon)- TT Chassis................und es wird in kleinen Schritten noch immer besser!